Tierversuche; Anregungen der Tierversuchskommissionen
Um überhaupt Tierversuche durchführen zu können, ist ein gesetzlich zwingendes Procedere einzuhalten, in dessen Verlauf mehrere unabhängige Stellen zum Versuchsvorhaben Stellung nehmen und den vorgelegten Einzelfall befürworten müssen.
Eine besonders wichtige Stellungnahme ist die der Tierversuchskommission, einem Gremium aus Wissenschaftlern und Tierschützern, welches die Genehmigungsbehörde mit fundiertem und aktuellem Know-How unterstützt und berät sowie deren einschlägige Fragen beantwortet.
Nachdem die Mitglieder der Kommission diese Tätigkeit im Ehrenamt, also in ihrer Freizeit ausüben, sollten die Antragsteller vermeiden, die schwierige und verantwortungsvolle Aufgabe der Versuchstierkommission noch zu verkomplizieren, d. h. den Antrag klar und für Dritte schnell erfassbar formulieren.
Ein ablehnendes Votum der Kommission führt in aller Regel dazu, dass ein Versuchsvorhaben nicht durchgeführt werden kann! Aufgrund der Änderungen in der Forschungslandschaft (befristete Verträge, Exzellenzinitiativen usw.) ist eine rasche Bearbeitung des Antrags für die wissenschaftliche Karriere des Antragstellers von herausragender Bedeutung, so dass die Energie, die die Antragsteller in die Antragsunterlagen einbringen, für die weitere Zukunft in aller Regel gut angelegt ist.
Folgende Eckpunkte müssen deshalb unbedingt beachtet werden, um unnötige Nachfragen, Zeitverzug oder Missverständnisse zu vermeiden:
1. personelle Zusammensetzung
Die Kommission besteht zum einen aus Wissenschaftlern, zum anderen aber auch aus wissenschaftlichen Laien. Es sollte deshalb eine einfach verständliche, klare Sprache gewählt werden, alle Schritte des Versuches, z. B. auch Vorversuche, um das Tiermodell zu generieren, sollten nachvollziehbar und deutlich herausgearbeitet sein. Es muss ein Kurzüberblick über den derzeitigen wissenschaftlichen Kenntnisstand, die zu klärende Fragestellung, die zugrundeliegende Arbeitshypothese und die Erfolgsprognose ersichtlich sein. Statt fundierter, aktueller Literaturrecherche kommt z. B. auch immer wieder in den Anträgen nur der pauschale Hinweis vor, dass der Antragsteller Zugang zur Medline hat und an Kongressen teilnimmt. Dies kann höchstens deutlich machen, welche Defizite der Antragsteller noch zu bearbeiten hat. Die Kommission wird ihm diese Tätigkeit auf keinen Fall abnehmen. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Kommission ähnlich verwundert reagiert, wie es der Antragsteller tun würde, wenn er als Zweitgutachter im Literaturteil einer an ihn übergebenen Dissertationsschrift eine solche Bemerkung präsentiert bekommt.
2. „3 R“
Die Hauptaufgabe der Kommission besteht nicht darin, die wissenschaftliche Originalität zu prüfen, sondern abzuklären, ob aus dem Tierversuchsantrag alle Sachverhalte, die zur Prüfung o. g. Punkte notwendig sind, ausreichend klar hervorgehen. Sachverhalte sind präzise und leicht verständlich zu beschreiben und zu formulieren.
Häufige Fehler sind z. B., dass zwar Abbruchkriterien definiert werden, es aber häufig vergessen wird, den Grenznutzen zu definieren, ab dem ein Tierversuch in toto abzubrechen ist. Ein zwingender Totalabbruch würde z. B. dann eintreten, wenn sich die ursprüngliche Arbeitshypothese als unzutreffend herausstellt. Dies könnte schon nach dem „Verbrauch“ einiger weniger Individuen absehbar sein. Als ein weiteres Beispiel seien hier Mängel bei der biometrischen Planung genannt. Fehler in diesem Bereich können einerseits durch zu große Versuchsgruppen zu unzulässigen Schäden und Leiden führen, aber auch zu geringe Gruppengrößen führen einen Tierversuch ggf. ad absurdum, wenn nämlich entweder kein verwertbares Ergebnis mehr zu erwarten ist oder es von vornherein klar wird, dass während des Versuchsablaufes doch noch Tierzahlen nachbeantragt werden müssen. Die Kommission wird solche Anträge dementsprechend nicht befürworten können.
Es muss also herausgearbeitet werden, ob:
- der Tierversuch einem zulässigen Zweck dient,
- die zu erwartenden Belastungen für die Tiere (einzeln und gesamt) noch in einem vertretbaren Verhältnis zum erhofften Erkenntnisgewinn stehen,
- Versuchsansatz und verwendete Tierzahl zu den geringst möglichen Belastungen für die betroffenen Tiere führen,
- Alternativmethoden vorhanden oder denkbar sind,
- der Tierversuch ethisch vertretbar ist.
3. Sehr häufig werden in den Anträgen die Belastungsgrade missverständlich beschrieben. Es ist klar, dass viele Tierversuche bei einzelnen Individuen innerhalb der dabei verwendeten Gruppen zu sehr unterschiedlichen Schmerzen, Leiden oder Schäden führen können. Von Belang ist hier aber nur das eine Tier, welches in dem Tierversuch die maximale Belastung zu tragen hat. Aussagen, wie „…diese Komplikation kommt bei uns nicht vor…“ u. ä. sind hier wenig hilfreich, es muss stattdessen herausgearbeitet werden, wie diese maximale Einzeltierbelastung so gering wie möglich gehalten werden kann. Es sollte wissenschaftlich beschrieben werden, bis zu welchem Grad, d. h. bis zu welchem Einzelsymptom, das Zufügen von Leiden, Schmerzen oder Schäden zur Klärung der offenen Fragestellung unerlässlich wäre.
Aus dem Antrag muss deutlich werden, welche palliativen Methoden zur Verfügung stehen bzw. warum eine Schmerztherapie auszuschließen war. Die unkritische Übernahme allgemeingültiger Merkblätter, Kriterienkataloge usw. ist hier deplaziert, da diese die Besonderheiten des Einzelfalles wie z.B. besondere Tierhaltungsart/ -orte, Eigenheiten des verwendeten Tierstamms usw. völlig ausgrenzen müssen. Nachdem der Tierversuch möglicherweise zu schweren Schmerzen, Schäden und Leiden führt, muss man nachvollziehbar darstellen können, warum bei eindeutigen Versuchsverläufen, also in späten Versuchsphasen, noch Messparameter erhoben werden müssen. Klar ist, dass die tierschonendsten Abbruchkriterien nur dann greifen, wenn die vorgeschlagenen Kontrollfrequenzen und die Kontrolltiefe auch die entsprechenden zu erwartenden Veränderungen erkennen lassen. Abbruchkriterien stellen des Weiteren die Obergrenze dar, die auf keinen Fall das regelmäßige Versuchsende für die Versuchstiere definieren!
4. Fragen zur ethischen Vertretbarkeit
Dieser Antragspunkt wird häufig entweder dazu genutzt festzustellen, dass der Versuch aus subjektiver Sicht des Wissenschaftlers „ethisch vertretbar“ sei, oder es wird noch einmal der Nutzen bzw. die Unerlässlichkeit des Versuches herausgestellt (z. T. nur ganz pauschal). Der meist unter Punkt 1.3 des Antrags beschriebene Sachverhalt soll jedoch nach Luy et al. (2009) folgende Fragestellung klären:
- Die vorsätzliche Schädigung eines an dem Versuchsergebnis völlig desinteressierten Versuchstieres ist an sich moralisch falsch, aber
- das aus dem Tierversuch zu erwartende Ergebnis ist in der Lage, Krankheiten, Leiden, Beschwerden oder körperliche Gebrechen bei Mensch und Tier zu lindern (vgl. § 7 (2) TSchG [Dateiformat: pdf]), so dass
- in dem im Antrag beschriebenen, speziellen Fall das Übel, welches der Versuchsleiter seinen Versuchstieren zufügen muss, im Verhältnis zum Übel, welches es z. B. für den Menschen zu vermeiden gilt, sekundär, d. h. deutlich kleiner ist.
Es wäre deshalb sinnvoll, hier deutlich zu machen, dass auch die berechtigten Interessen der Versuchstiere berücksichtigt wurden, sowie welche Maßnahmen gewählt wurden, um die Schmerzen, Leiden und Schäden des einzelnen Versuchstieres auf das absolut unerlässliche Maß zu reduzieren. Der Antragsteller sollte den erwarteten Nutzen seines Versuches für die Medizin selbstkritisch prüfen.
Die alleinige Beachtung aller dieser Punkte führt zwar noch nicht zu einem positiven Votum durch die Kommission, steigert aber Ihre Chancen auf eine zeitnahe Genehmigung nicht unerheblich.
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